Rietberg. Eine Gedenkveranstaltung muss nicht immer getragen und traurig sein. Uwe von Seltmann, Journalist und Autor aus Hilchenbach, hat in Rietberg jetzt recht offen und fröhlich aus dem Leben des Dichters und Komponisten Mordechai Gebirtig erzählt. Und das, obwohl die Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 ein bitterer Anlass dieser Gedenkveranstaltung im Alten Progymnasium war.
Neben Kirchengemeinden und Heimatvereinen hält auch die Stadt Rietberg regelmäßig und mit wechselnden Formaten das Gedenken an die schrecklichen Ereignisse vor mehr als 80 Jahren aufrecht. Jetzt war es die Erzählung aus dem Leben Mordechai Gebirtigs und eine Erinnerung an dessen Texte und Lieder.
Mit detailreichen und lebhaften Erklärungen gelang es von Seltmann in freier Rede und deutlicher Sprache gut, die damalige Zeit lebendig werden zu lassen und so eine Einordnung Gebirtigs zu ermöglichen. „Auch, wenn er selbst in den 1930er Jahren gar nicht so bekannt war – seine Lieder waren es umso mehr“, erzählte von Seltmann. „In Amerika wurden tausende Schallplatten mit seinen Liedern verkauft – er selbst erhielt dafür keinen Groschen und war zeitlebens bitterarm. Aber glücklich.“ Weil eben viele Menschen seine Melodien auf den Lippen trugen. Zumindest in der jüdischen Welt.
Bis in die 1990er Jahre gab es Gebirtigs Lieder überwiegend in hebräischer Sprache. Erst Uwe von Seltmann, der umfangreich in Krakau und Tel Aviv recherchiert hatte, sorgte für eine Übersetzung in lateinische Schrift. Er war es auch, der die Entstehung von Gebirtigs bekanntestem Lied »‘s brent« auf März 1936 datieren konnte. Und so (auf Deutsch »Es brennt«) heißt denn auch die erste deutschsprachige und 400-seitige Biografie des »Vaters des jiddischen Liedes«, die von Seltmann (55) vor genau einem Jahr veröffentlichte – eine Pionierarbeit und ein Buch gegen das Vergessen. Daraus zitierte der Autor vor den rund 40 Zuhörern im Rietberger Ratssaal immer wieder.
Darunter waren auch NRW-Landtagspräsident André Kuper nebst Gattin Monika, viele Ratsvertreter sowie Bürgermeister Andreas Sunder. Der hatte in seiner Begrüßung angesichts der nach wie vor aktuellen und von Hass getriebenen Anschläge an die Notwendigkeit erinnert, die schlimmen Geschehnisse zur Zeit des Nationalsozialismus immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. „Auch Mordechai Gebirtig ist 1942 ermordet worden – Sie lassen ihn in Ihrem Buch wieder auferstehen“, so Sunder an Uwe von Seltmann gewandt.