Jiddische Lieder in Erinnerung rufen

Gedenkveranstaltung anlässlich der November-Progrome

Rietberg. An die schlimmen November-Pogrome von 1938, ihre Opfer und Folgen, will die Stadt Rietberg jährlich mit wechselnden Formaten erinnern. In diesem Jahr ist eine Multimedia-Präsentation mit zahlreichen Lied- und Bildbeispielen aus dem Leben des jüdischen Dichters und Komponisten Mordechai Gebirtig vorgesehen. Die Gedenkveranstaltung beginnt am Donnerstag, 7. November, um 19 Uhr im Ratssaal des Alten Progymnasiums. Zu Gast ist der Autor Uwe von Seltmann, der Verfasser des Buches »Es brennt. Mordechai Gebirtig. Vater des jiddischen Liedes«.

Wenn die Geschichte anders verlaufen wäre und nicht Millionen Juden mitsamt ihrer Kultur vernichtet worden wären, so der italienische Künstler Rudi Assuntino, wäre der jiddische Dichter Mordechai Gebirtig heute vielleicht so populär wie die Gershwin-Brüder. Gebirtig, auch »Vater des jiddischen Liedes« genannt, wurde 1942 im Krakauer Ghetto von Nationalsozialisten ermordet. Doch rund 170 seiner Gedichte und Lieder haben die Schoah überlebt. Heute wie damals sind sie ein bedeutendes Zeugnis jüdisch-europäischer Kultur und werden weltweit von namhaften Künstlern gesungen und interpretiert. Gebirtigs bekanntestes Lied »S’brent« (Es brennt) war während zur Zeit des Nationalsozialismus die inoffizielle Hymne jüdischer Widerstandskämpfer. Heute wird es in Israel zu jedem Holocaust-Gedenktag angestimmt.

Von Seltmanns Buch »Es brennt« ist die erste deutschsprachige Biografie Mordechai Gebirtigs – eine Pionierarbeit und ein Buch gegen das Vergessen. Viele Lieder Gebirtigs wurden hierfür das erste Mal ins Deutsche übertragen. Aus Archiven in Europa, Israel und den USA hat Autor Uwe von Seltmann zahlreiche neue Entdeckungen zu Leben und Werk des Krakauer Poeten zusammengetragen. Liedbeispiele, Fotos, Zeitdokumente und Faksimiles illustrieren dieses Buch und machen es für Einsteiger wie Kenner zu einer faszinierenden Reise ins Jiddischland.

Zum Gedenken am Donnerstag, 7. November, um 19 Uhr ist jeder herzlich in den Ratssaal des Alten Progymnasiums an der Klosterstr. 13 eingeladen. Der Eintritt ist frei.

Hintergrund:
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in ganz Deutschland Synagogen geschändet und angezündet, jüdische Geschäfte geplündert und Wohnhäuser demoliert. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden ermordet. Tausende wurden in Konzentrationslager verschleppt. Die Pogrome vom November 1938 bildeten den Auftakt zu einer grausamen Verfolgung der Juden in unserem Land. Ihr Ziel war die Vernichtung des jüdischen Volkes, ihre schreckliche Bilanz die Ermordung von sechs Millionen Juden in ganz Europa. 81 Jahre später neigt sich die Ära der Zeitzeugen dem Ende zu. Mit diesem Gedenken sollen vor allem auch jungen Menschen die damaligen Verbrechen nahegebracht werden.